Ort der Literaten | Schriftsteller in Graal-Müritz
Franz Kafka lernte hier bei uns seine letzte große Liebe kennen.
Erich Kästner verbrachte in Müritz den letzten unbeschwerten Sommerurlaub seiner Jugend.
Walter Kempowski verdankt das Kennenlernen seiner Eltern der unvergleichlichen Stimmung auf der Graaler Seebrücke.
Alfred Kerr kam 1915 und notierte: »Scheint mir das schönste Ostseefleckchen.«
Uwe Johnson beschreibt die Landschaft, durch die er hier so gern wanderte, in seinen »Jahrestagen«.
Graal-Müritz ist der Ort der Literaten. An keinem anderen Ort der deutschen Ostseeküste haben so viele Schriftsteller Ruhe, Muße und Inspiration gefunden. Die Berühmtesten stellen wir Ihnen hier vor. Zum Beispiel Hans Fallada, Uwe Johnson, Erich Kästner, Franz Kafka, Walter Kempowski, Alfred Kerr, Robert Musil oder Kurt Tucholsky.
Folgen Sie den größten deutschsprachigen Schriftstellern auf ihren Spuren durch Graal-Müritz! Wir haben für Sie Biographisches, Literarisches und Anekdotisches gesammelt.
Franz Kafka in Müritz
Franz Kafka ist einer der berühmtesten Literaten, die Graal-Müritz besuchten. Seine literarische Bedeutung ist weltweit unangefochten - er schuf die prägnantesten Bilder und die überraschendsten Motive der Klassischen Moderne. Die Ausdrucksfähigkeit des Pragers ist einzigartig. Der Begriff »kafkaesk« bezeichnet eine aussichtslose, unüberschaubare und hoffnungslose Situation. Auch einen der berühmtesten Romananfänge der Welt verdanken wir Franz Kafka: »Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.« (Der Prozeß)
40 Jahre alt wurde Franz Kafka nur. Drei Tage nach seinem letzten Geburtstag besuchte er Müritz an der Ostsee und fand hier seine letzte große Liebe - Dora Diamant.
Franz Kafka in Müritz - die letzte große Reise
Reisen? Konnte er das überhaupt noch? Würde er das schaffen? Und dann noch nach ganz oben in den Norden, nach Müritz an die Ostsee! Am Meer war er nur selten gewesen. Das erste Mal, als er gerade 18 geworden war und die Abiturprüfungen hinter sich hatte. Da hatte er sich mit seinem Onkel auf Helgoland getroffen, und die beiden fuhren mit dem Raddampfer weiter nach Norderney. Das zweite Mal dann vor neun Jahren: In Travemünde verbrachte er im Juli 1914 einen Nachmittag beim Baden und reiste dann weiter in das dänische Ostseebad Marielyst, um dort eine gute Woche lang zu bleiben.
Aber jetzt, Anfang Juli 1923, war er schwer krank. Vor fast genau sechs Jahren war mit aller Macht seine Lungentuberkulose ausgebrochen, die nicht mehr in den Griff zu bekommen war. Deswegen machte Kafka sich die Entscheidung, an die Ostsee aufzubrechen, nicht leicht. Was würde passieren, wenn er im Urlaub wieder bettlägerig würde? Fast sein gesamtes Leben hatte er im vertrauten Umfeld der Prager Altstadt verbracht. Aber der gerade 40-Jährige wollte es - trotz seiner inzwischen schweren Krankheit - versuchen. Er würde auch nicht alleine fahren, zumindest nicht die gesamte Strecke von Prag nach Müritz. Bis nach Berlin würde auch seine Schwester Elli mit ihren beiden Kindern Felix und Gerti dabei sein. Dort wollte er einen Zwischenstopp einlegen, um einen neuen Verleger kennenzulernen. Nur einen Tag später würde er dann in Müritz wieder zum Rest der Familie stoßen. Genau einen Monat lang sollte er dort bleiben: vom 6. Juli bis zum 6. August 1923.
Kafkas »Pension Glückauf« in der Müritzer Strandstraße: »Freier Blick auf das Meer, fließend Warm- und Kaltwasser«
Die »Pension Glückauf« in der Strandstraße, die Kafkas Schwester Elli ausgesucht hatte, schien sehr komfortabel und bestens gelegen zu sein: »Freier Blick auf das Meer«, warb das Haus damals, vermutlich auch in den Prager Zeitungen:
»Das Ostseebad Müritz liegt in Laub- und Nadelwaldungen eingebettet, hat besonders im Osten breiten, steinfreien Strand, romantische Dünen. Hier liegt in einer Entfernung, 8 Minuten vom Strande, in ruhiger, sonniger Lage, direkt am Walde die Pension »Glückauf«. Aus persönlich geleiteter Küche wird hier eine vorzügliche und reichliche Verpflegung gegeben. Die Pension hat schöne, helle, gut eingerichtete ein- bis vierbettige Zimmer, fast alle mit Balkon oder Glasveranda und was besonders angenehm empfunden wird, alle Zimmer haben fließendes Warm- und Kaltwasser. Weiter sind mehrere Zimmer und auch der Speisesaal mit Zentralheizung versehen.«
Die meisten Pensionen und Hotels in Müritz lagen direkt am Wald. Erbaut waren sie in der typischen Bäderarchitektur der Jahrhundertwende - zahlreiche Balkone und Veranden schmückten damals die Häuser. Franz Kafka wohnte im zweiten Stock, auf der Rückseite der »Pension Glückauf«. Sah er aus dem Fenster, konnte er den nahen Waldrand erkennen. Und wenn er die Balkontür öffnete, hörte er viele Kinderstimmen. Ein Ferienheim lag dort.
»Ich habe Kafka geliebt.« Dora Diamant - die letzte große Liebe
»Ja, man kann sagen, dass Graal-Müritz ein Ort der Verlobung ist«, sagt Helga Serauky, und sie muss es wissen, denn sie hat jahrzehntelang Gäste auf literarischen Spuren durch den Ort geführt. Und gerade im Falle Franz Kafkas trifft sie hier mitten ins Schwarze. Zwischen ihm und der 19-jährigen Dora Diamant begann im Juli 1923 eine der großen Liebesgeschichten der Weltliteratur. »Als ich Kafka das erstemal sah, erfüllte sein Bild sofort meine Vorstellung vom Menschen«, wird Dora später über ihn sagen. Er schreibt drei Wochen nach dem Kennenlernen über sie: »Dora ist ein wunderbares Wesen.«
Schräg hinter der »Pension Glückauf«, in der Kafka mit seiner Schwester Elli und den Kindern wohnte, lag das »Haus Huter«, das Ferienhaus des »Jüdischen Volksheims Berlin«. Der Verein war 1916 in der Hauptstadt gegründet worden, und kümmerte sich vor allem um die Ausbildung und Erziehung ostjüdischer Kinder. Von Anfang an war auch Kafkas enger Freund, der Schriftsteller Max Brod, ein Förderer des Vereins. Auch Kafkas ehemalige Verlobte Felice Bauer hatte dort schon Lektürekurse für die Kinder abgehalten, und Franz Kafka hatte ihr dabei »assistiert«. Kafka kannte also das Berliner Jüdische Volksheim schon seit Jahren, und sein Interesse muss groß gewesen sein, einmal einen Blick in diese Welt dort schräg gegenüber zu werfen. So traf es sich gut, dass ein Mädchen aus dem jüdischen Ferienheim, die sechzehnjährige Tile Rössler, Franz Kafka schon längst erkannt hatte. Sie war Buchhandelslehrling und hatte auch schon etwas von ihm gelesen. Durch sie kommt Franz Kafka nun in näheren Kontakt mit den Betreuern und Kindern der Ferienkolonie und beschließt, den Freitagabend vor dem Sabbat zusammen mit ihnen zu feiern. An jenem Abend, dem 13. Juli 1923, lernt er Dora kennen.
Auch Dora war der Schriftsteller bereits aufgefallen. Später erinnert sie sich: »Ich begegnete Kafka zum ersten Male an der Ostsee, im Sommer 1923. Ich war damals sehr jung, neunzehn Jahre, und arbeitete freiwillig für ein Ferienlager in einem Berliner Volksheim in Müritz [...]. Eines Tages sah ich am Strand eine Familie spielen, Eltern und zwei Kinder. Der Mann fiel mir besonders auf, ich konnte seinen Eindruck nicht loswerden. Ich ging diesen Leuten sogar in die Stadt nach, und später traf ich sie dann wieder. Eines Tages wurde im Volksheim bekanntgegeben, daß Dr. Franz Kafka zum Abendessen kommen würde. Ich hatte zu der Zeit gerade in der Küche zu tun. Als ich von meiner Arbeit aufblickte - der Raum hatte sich verdunkelt, es stand jemand draußen vor dem Fenster - erkannte ich den Herrn vom Strand wieder. Dann trat er ein - ich wußte nicht, daß es Kafka war und daß die Frau, mit der ich ihn am Strande zusammen gesehen hatte, seine Schwester war. Er sagte mit sanfter Stimme: 'So zarte Hände, und sie müssen so blutige Arbeit verrichten.'«
Von diesem Moment an verbringen die beiden in Müritz viel Zeit zusammen. Und Dora zieht Franz Kafka so in ihren Bann, dass er für sie sogar das vertraute Prag verlässt. Von September 1923 bis März 1924 wohnen beide in Berlin, er in Steglitz, sie im Scheunenviertel. Dora verbringt jede freie Minute in Steglitz - eine intensive Phase in schweren Zeiten. Wegen der Wirtschaftskrise und der Inflation sind sie auf Geld- und Lebensmittelsendungen von Kafkas Prager Familie angewiesen. Stundenlang steht Kafka mitunter in Schlangen an. »So erlebte er die Gemeinschaft mit einem unglücklichen Volk in einer unglücklichen Zeit«, beschreibt Dora Diamant ihre gemeinsame Berliner Ära.
Sie war für Dora und Franz in dem Moment zu Ende, als seine Tuberkulose-Erkrankung in das letzte Stadium eintrat. Zunächst wurde Kafka wieder in seine Heimat nach Prag gebracht, dann in Sanatorien und Krankenhäuser von Wien und Umgebung. Als Dora ihn wiedersah, konnte er schon nicht mehr sprechen. Als Franz Kafka am 3. Juni 1924 starb, war Dora bei ihm. Bei seiner Beerdigung in Prag brach sie ohnmächtig zusammen.
Auch Hochzeitspläne hatte Kafka geschmiedet. Sein Freund Max Brod überliefert die Geschichte der Werbung um Dora. Kafka hatte ihrem frommen jüdischen Vater einen Brief geschickt, in dem er darlegte, dass er zwar im traditionellen Sinne kein gläubiger Jude, aber doch ein 'Bereuender', ein 'Umkehrender' sei und deshalb eventuell doch hoffen dürfe, in die Familie aufgenommen zu werden. Der Vater war daraufhin mit dem Brief zu einem berühmten Rabbi gereist, den er verehrte und dessen Autorität ihm über alles ging. Dieser Rabbi las den Brief, legte ihn weg und sagte nichts als ein kurzes 'Nein'.
Dora Diamant verwahrte Manuskripte und Briefe Kafkas in ihrer Berliner Wohnung. Die Gestapo beschlagnahmte sie bei einer Durchsuchung. Seitdem sind sie verloren.
Der andere Kafka
Durch Dora Diamants Sicht lernen auch wir ganz andere Facetten Franz Kafkas kennen:
»Kafka war immer heiter. Er spielte gern, er war der geborene Spielkamerad, der immer zu irgendwelchen Späßen aufgelegt ist. Ich glaube nicht, dass Depressionen sein hervorstechendes Merkmal waren.«
»Als wir in Berlin waren, ging Kafka oft in den Steglitzer Park. Ich begleitete ihn manchmal. Eines Tages trafen wir ein kleines Mädchen, das weinte und ganz verzweifelt zu sein schien. Wir sprachen mit dem Mädchen. Franz fragte es nach seinem Kummer, und wir erfuhren, daß es seine Puppe verloren hatte. Sofort erfindet er eine plausible Geschichte, um dieses Verschwinden zu erklären: 'Deine Puppe macht nur gerade eine Reise, ich weiß es, sie hat mir einen Brief geschickt.' Das kleine Mädchen ist etwas mißtrauisch: 'Hast Du ihn bei Dir?' 'Nein, ich habe ihn zu Haus liegen lassen, aber ich werde ihn dir morgen mitbringen.' Das neugierig gewordene Mädchen hatte seinen Kummer schon halb vergessen, und Franz kehrte sofort nach Hause zurück, um den Brief zu schreiben. Er machte sich mit all dem Ernst an die Arbeit, als handelte es sich darum, ein Werk zu schaffen.«
Franz Kafka - Biographie und Werk
Am 3. Juli 1883 wurde Franz Kafka als erstes Kind des Kaufmanns Hermann Kafka und seiner Frau Julie in Prag geboren. In den kommenden neun Jahren folgen Georg und Heinrich, die Brüder, die nur ein gutes Jahr bzw. ein halbes Jahr alt werden, und die Schwestern Gabriele (Elli), Valerie (Valli) und Ottilie (Ottla). Die Atmosphäre in Schule und Elternhaus war einschüchternd. Zum herrischen und oft jähzornigen Vater gesellte sich eine Schar von Dienstmädchen, Ammen und Köchinnen, die ebenfalls ihre Macht und Überlegenheit an den Kindern ausließen. Die sensiblere Mutter war für die Kinder wenig präsent. Franz wurde ein ängstliches, unsicheres Kind und kapselte sich schließlich ab.
Der Hang zum Alleinsein und zum introvertierten Leben blieb. Eine Gouvernante der Familie berichtet über den zwanzigjährigen Franz Kafka: »Der junge Herr war groß, schlank, von ernster Natur, wenig gesprächig. Er sprach mit ruhiger, leiser Stimme. Er trug vorwiegend dunkle Anzüge und manchmal einen schwarzen, runden Hut. Niemals habe ich ihn aufgeregt gesehen, oder daß er laut gelacht hätte.« Einige wenige Freundschaften jedoch pflegte Kafka lange. Zum Beispiel die zum ein Jahr jüngeren Studienfreund Max Brod, dem wir überhaupt die Veröffentlichung großer Teile des Kafkaschen Werkes verdanken: Brod versagte seinem Freund als Nachlassverwalter und Testamentsvollstrecker schließlich dessen letzten Willen, sein Werk zu verbrennen.
Nach Ausflügen in die Germanistik und Philosophie studierte Kafka Jura, und zwar ausschließlich in Prag. Sämtliche Prüfungen besteht er mit »genügend« und wird mit 23 Jahren zum Doktor der Rechte promoviert. Insgesamt 14 Jahre lang arbeitete der Jurist Kafka nun für die »Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt« für das Königreich Böhmen, allerdings ohne Freude. Allein sein »Kritzeln« in der Nacht, das Schreiben, war sein »einziges Verlangen«, seine Erfüllung. Schon in den ersten Gymnasialjahren, also mit etwa 12, 13, erzählte er einem Schulfreund, er wolle Schriftsteller werden. Aus jener Zeit stammen seine ersten literarischen Versuche. Mit 24 Jahren veröffentlichte Kafka, der selber auch ein großer und gebildeter Leser war, seine ersten kurzen Prosastücke in einer Zeitschrift. Sie wurden dann unter dem Titel »Betrachtungen« als Buch herausgegeben.
1912 entstehen erste Entwürfe zum »Verschollenen« (von Brod »Amerika« betitelt). Außerdem veröffentlicht Kafka sein erstes Buch: »Betrachtung«, eine Sammlung von kurzen Prosastücken. Er begegnet Felice Bauer zum ersten Mal. Ein umfangreicher Briefwechsel zwischen beiden beginnt. Zweimal werden sie verlobt sein und doch nicht heiraten. Mit der Niederschrift des »Urteils« gelingt Kafka der Durchbruch zu jener »kafkaesken« Darstellungsart, die seinen späteren Weltruhm begründet. 1913 veröffentlicht er das erste Kapitel des »Verschollenen« unter dem Titel »Der Heizer«, und beginnt im Jahr darauf die Arbeit an seinem Hauptwerk, dem Roman »Der Prozeß«. 1915 erscheint die Erzählung »Die Verwandlung«, 1916 »Das Urteil«. Schon im Jahr darauf, 1917, macht sich Kafkas Lungentuberkulose durch einen schweren Blutsturz bemerkbar. 1919 verlobt er sich mit Julie Wohryzek, trennt sich aber im kommenden Jahr wieder von ihr, nachdem er die Journalistin und Übersetzerin Milena Jesenská in einem langen Briefwechsel gut kennenlernt. 1922 beginnt Kafka die Arbeit an »Das Schloß«, und die Erzählung »Ein Hungerkünstler« erscheint.
Im Juli 1923 lernt er in Müritz an der Ostsee die 19-jährige Dora Diamant kennen. Er zieht ihretwegen nach Berlin, bevor er im März 1924 aus gesundheitlichen Gründen wieder zurück nach Prag gebracht werden muss. Kafka verfasst sein letztes Werk »Josefine, die Sängerin«. 1924 stirbt er am 3. Juni in der Nähe von Wien im Sanatorium in Kierling.
Hans Fallada in Graal
»So sagten wir uns wieder: Die Berge, so schön sie sind, eignen sich für uns nicht. Wir wollen es wieder mit der See versuchen. Wir sind dann viermal - 1906, 1907, 1908, 1909 - in Graal in Mecklenburg gewesen und fühlten uns da vollkommen glücklich. Es war für uns das einzig Richtige, selbst zu kochen und die Kinder die Freiheit genießen zu lassen.«
(Hans Falladas Mutter, Elisabeth Ditzen, in ihrem Tagebuch)
Fallada in Graal
Hans Fallada, der seit Anfang der 30er-Jahre ein sehr erfolgreicher Schriftsteller war, kam mit seiner Familie - den drei Geschwistern und den Eltern - zum ersten Mal im Jahr 1906 als 13-Jähriger nach Graal. Der Ort entsprach vollkommen der Naturverbundenheit und Ruhebedürftigkeit der Familie, so dass sie auch in den drei Folgesommern bis 1909 ihre Sommerfrische hier verbrachte. Es wurde eine für den Ort typische Büdnerei angemietet. »Wir hatten das kleine Bauernhaus fast ganz für uns, die Familie Beyer zog sich für die Saison in einen Anbau zurück«, schreibt Falladas Mutter, Elisabeth Ditzen, damals in ihr Tagebuch.
Über die herrlichen Ferienwochen an der Ostsee berichtet Hans Fallada später sehr ausführlich in seinem Buch »Damals bei uns daheim. Erlebtes, Erfahrenes und Erfundenes«, das erstmals 1941 erschien:
»Morgens ging es regelmäßig an den Strand, aber fast jeden Nachmittag wurde ein langer Spaziergang durch die Wälder gemacht. Vater war unermüdlich, immer neue Ziele zu entdecken oder neue Wege zu alten Zielen. War es aber eines Tages zu heiß, so suchten wir uns eine schattige Stelle am Waldrand und Vater fing an zu erzählen.
Nein, wie eilig flogen die Ferientage dahin. Kaum waren wir erst so recht aufgestanden, so mußten wir schon wieder ins Bett! Nun wurden schon die Blaubeeren reif. Aus dem Walde kamen wir mit schwarzen Mündern heim und mit Flecken in unsern weißen oder weiß-blau gestreiften Sommerblusen, über die Mutter schalt. Und dann gab es nach ein paar Regentagen Pilze über Pilze.«
Aus dem Tagebuch der Mutter wissen wir von einem einzigen etwas schlimmeren Zwischenfall während eines Feriensommers, aber abgesehen davon, hat sich die Familie Falladas, die während dieser Zeit in Berlin zu Hause war, unbeschwert in Graal erholt:
»Rudolf steckte immer voll von Plänen. In einem Jahr wollte er seinen Vater zum 5. August mit einem abendlichen Feuerwerk überraschen. Er verfertigte sogar mit den Geschwistern Bänke für die Zuschauer und verbrauchte dazu sämtliche Nägel unseres Hauswirts. Das ist das einzige Mal gewesen, daß ich unsern guten Bauern Beyer böse gesehen habe, sonst hatten sie alle eine Engelsgeduld mit den Jungen. Das Feuerwerk mißlang nun aber leider, ein Feuerwerkskörper verletzte meinen Mann ziemlich heftig an der Hand. Da war alle Freude vorbei, und Rudolf hatte es sich doch so schön ausgedacht.«
Graal in Hans Falladas Werk
»In Müritz gab es schon Berliner, aber in Graal herrschte noch der Friede« - Graal in Hans Falladas Werk
Zwischen 1906 und 1909 machte Hans Fallada hier mit Eltern und Geschwistern Sommerferien. Damals war er zwischen 13 und 16 Jahren alt. In seinem Buch Damals bei uns daheim. Erlebtes, Erfahrenes und Erfundenes von 1941 erinnert er sich an jene schöne Zeit. »Unwahrscheinlich anmutig sind diese Texte. Fallada bringt regelrecht ein Leuchten in den Ort«, schwärmt Helga Serauky, die in Graal-Müritz jahrzehntelang literarische Touren geleitet hat. Über Hans Falladas Texte bekommt man auch einen sehr guten Einblick in das Bade- und Strandleben der vergangenen Jahrhundertwende. Auch die Landschaft der Graal-Müritzer Gegend wird in Falladas Texten wunderbar lebendig:
»Wir haben in Graal manchen Sommer verbracht, als dort noch alles still und ländlich war…«
»Die Wahl des Ortes war stets recht schwierig, denn er mußte billig sein, nicht zu weit von Berlin entfernt liegen, und er mußte dem Ideal entsprechen, das meine Eltern von ländlicher Stille und Schönheit hatten. So haben die Eltern Sommerfrischen entdeckt, in die damals noch kaum je ein Berliner gekommen war. […], und wir haben in Graal manchen Sommer die Ferien verbracht, als dort noch alles still und ländlich war, ohne Strandkörbe und ohne Kurtaxe. In Müritz gab es schon Berliner, Müritz war ein aufblühendes Seebad, aber in Graal herrschte noch der Friede.«
»Natürlich baden wir! … Gott ja, man war nun einmal an der See, und so gehörte es eben dazu…«
»Wie die Tage dahinfliegen! Baden wir denn eigentlich gar nicht in der See? Doch! Natürlich baden wir! Graal fängt schon schüchtern an, sich ein Seebad zu nennen, da wird man wohl schon baden müssen. Freilich, es sind fast vierzig Jahre seitdem vergangen, eigentlich keine so außerordentlich lange Zeitspanne, aber jedenfalls dachte man damals noch sehr viel anders über Baden als heute! Zu vieles Baden war ungesund, es 'zehrte', man mußte sich mit dem Baden in acht nehmen, nicht zu lange und nicht zu häufig! So kam es, daß wir höchstens zwei- oder dreimal in der Woche badeten, und ich kann eigentlich nicht sagen, daß dieses seltene Baden unser Ferienglück irgendwie beeinträchtigte. […] Gott ja, man war nun einmal an der See, und so gehörte es eben dazu, aber im Grunde genommen war Waten viel schöner!«
»Der Gedanke vom Strand aus zu baden, war so sittenlos, daß er noch in keinem Schädel seine Sumpfblasen aufgetrieben hatte«
»Es gab zwei kleine Badeanstalten, ein Damen- und ein Herrenbad, und die Trennung nach Geschlechtern wurde aufs strengste durchgeführt. Der Gedanke, einfach vom Strand aus zu baden, war so sittenlos, daß er noch in keinem Schädel seine Sumpfblasen aufgetrieben hatte. Wohl kamen vereinzelt Entartete vor, die sich während der Badezeit in den Dünen herumtrieben, aber das waren nur Ausnahmen, die bald von wachthaltenden Fischern ermittelt wurden und der allgemeinen Verachtung anheimfielen. Groß aber kann ihre Ausbeute an Genüssen selbst mit Ferngläsern nicht gewesen sein, denn die Damen trugen ja damals noch diese seltsamen, meist roten Badeanzüge, bei denen die Hosen bis weit über das Knie hinabreichten. Ein Rock fiel noch darüber, und das Ganze saß, von einem Gürtel gehalten, teils in glänzender Falte, teils wie angeklatscht am Leibe und sah eher komisch aus als verführerisch.«
»Die Empörung, wenn uns der Brettersteg gestohlen war (den wir erst gestohlen hatten)!«
»So wenig besucht damals Graal auch noch war, der Kampf um die schönste Burg stand doch schon in voller Blüte, und wir wollten nicht umsonst in tagelangen Bemühungen einen Wall und Graben angelegt haben, die auch der stärksten Sturmflut zu trotzen schienen! Die Freude, wenn man zur heimischen Burg kam, und alles war noch in bester Ordnung, die Empörung, wenn uns der Brettersteg über den Graben gestohlen war (den wir erst gestohlen hatten), oder gar der Balken, der Mutters Sitzplatz bildete! Aufklärungsfahrten wurden organisiert, Spione ausgesandt, und war der Verbleib des Diebesguts ermittelt, so wurde je nach Art und Kraft des neuen Besitzers entweder Bitten oder offene Gewalt oder List beschlossen. Ja, diese Sommerferien hatten auch noch das Gute zur Folge, daß wir vier Geschwister plötzlich einen Heerbann bildeten. Wie uns die Ferien den Eltern näherbrachten, so schufen sie auch zwischen uns Geschwistern, wenigstens gegen die Umwelt, Einigkeit. In Berlin waren wir vier zwei getrennte Großmächte gewesen […]. Hier in Graal war das ganz anders. Wollten wir etwas erreichen, mußten wir zusammenhalten.«
»Wir wußten den Weg von Gelbensande nach Graal mit jeder Abzweigung«
»War der Ort der künftigen Sommerfrische bestimmt, so war das erste, daß mein Vater sich Karten von ihm kaufte, Karten der Landesaufnahme, sogenannte Meßtischblätter. […] Unter seiner Leitung lernten wir unmerklich Karten lesen, wir kannten bald jedes Zeichen auf diesen Blättern. Wir wußten den Weg von Gelbensande nach Graal mit jeder Abzweigung, jeder Schonung. Wir konnten genau sagen, wann der Wald aufhörte und das langgestreckte Dorf sichtbar wurde. Und so gut wir das alles im voraus wußten, so überrascht waren wir doch immer wieder, wenn das auf dem schwarz-weißen Blatt Gesehene sich in die Wirklichkeit umsetzte. Die kleinen, mickrigen Waldzeichen auf der Karte wurden nun zu einem überwältigend hohen Buchendom, der Weg, der so klar und glatt vor uns gelegen hatte, mit einem Blick zu übersehen, wand sich nun in vielen Krümmungen, daß man keine hundert Schritte voraussehen konnte, durch den Wald. Er war auch nicht glatt, tief war er in den Sand eingeschnitten, und hob sich über Hügelchen, von denen die Karte nichts gewußt hatte.«
»Wir waren Großstadtkinder, es erschien uns herrlich, daß alles umsonst wuchs«
»Noch an demselben Abend ging der Vater nach dem Abendessen mit uns Kindern zum Strand, Mutter und Christa bereiteten unterdes die Schlafgelegenheiten vor. Es war fast noch hell, und wir liefen jubelnd vom Feldweg an die Ränder der Kornfelder. Wir pflückten roten Mohn und blaue Kornblumen, rosa Raden und weiße Margeriten. Wir waren Großstadtkinder, es schien uns unbegreiflich herrlich, daß dies alles 'umsonst' wuchs, daß wir keiner Blumenfrau dafür Geld zu geben hatten.«
»…und wie jedes Jahr überfällt mich das altvertraute Gefühl der ungeheuren Weite«
Nun kommen wir in den Wald, und es wird dunkler um uns. Wir Kinder halten uns näher beim Vater und fangen an zu lauschen, ob wir schon die Brandung der See hören. Aber Vater sagt uns, es wird heute keine Brandung geben, es ist kaum Wind gewesen am Tage. Und trotzdem hoffen wir und lauschen wir weiter.[…]
Allmählich wird der hochstämmige Kiefernwald niedriger, er flacht sich gegen die See ab wie ein ungeheures schräges Dach, die Bäume sind alle landeinwärts gewachsen. Immer niedriger werden sie, immer verkrüppelter, hell schimmert es schon vor uns durch sie hindurch.
Nun fangen wir doch wieder an zu laufen, jedes will zuerst die See sehen. Die Kiefern haben aufgehört, wir laufen nun mühsam im Dünensand bergan. Der Strandhafer raschelt, ein kühler Atem bläst uns sanft an.
Und dann stehe ich wieder oben auf der Düne und wie jedes Jahr, wenn wir an der See sind, überfällt mich das altvertraute, und doch immer wieder bestürzende Gefühl der ungeheuren Weite, die sich mir auftut. Zuerst sehe und fühle ich nichts anderes als dies, wie groß das ist, wie es immer weiter geht, auch dort, wo Horizont und Wasser ineinander verlaufen.«
Hans Fallada - Biographie und Werk
Hans Fallada hieß eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen und wurde am 21. Juli 1893 in Greifswald geboren. Der Vater, Wilhelm Ditzen, war Richter, und seine Karriere führte die Familie in Falladas Kinder- und Jugendzeit von Greifswald über Berlin nach Leipzig. Trotz der hervorragenden gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen Rudolf Ditzen aufwächst, hat er als Kind und Jugendlicher keinen leichten Start ins Leben.
Über seine erste Gymnasialzeit schreibt er später: »In der Schule, oder, wie wir sie nur nannten, in der Penne, spielte ich zu jener Zeit eine höchst unselige Rolle. Ich ging auf das Prinz-Heinrichs-Gymnasium in der Grunewaldstraße, und das war damals ein sehr feines Gymnasium, womit gesagt werden soll, daß dort in der Hauptsache die Söhne von Offiziers- und Beamtenadel, auch von reichen Leuten die Schulbank drückten. Meine Eltern aber waren für äußerste Sparsamkeit, so kam es, daß ich, war eine Hose durchgerutscht, keine neue bekam, sondern daß meine Mutter ein paar handfeste Flicken in die arg verwundete setzte. Da sie nun aber oft keinen genau passenden Stoff hatte, so wurden ohne erhebliche Hemmung auch andere Stoffe dafür gewählt. Das ist nun gut fünfunddreißig Jahre her, und doch sehe ich die Hose des Unheils noch genau vor mir: es war eine dunkelblaue Bleyle-Hose, und mit grauen Flicken wurde sie geziert. Ach, über den Hohn und das Gespött, die mir diese Hose eingetragen hat! […] Ich sehe mich da noch stehen, blaß, kränklich, verzweifelt, in meinem Mauerwinkel. Die ganze Penne freute sich ihrer Freiviertelstunde, mir war sie eine Qual. Immer atmete ich auf, wenn es wieder zum Unterricht läutete.«
Als Rudolf Ditzen 17 Jahre alt war, erkrankte er an Typhus, von dem er sich nur schwer erholte. Noch im selben Jahr unternahm er zwei Selbstmordversuche. Im Jahr darauf, 1911, ereignete sich die schwerwiegendste Begebenheit seiner Jugend: Am 17. Oktober inszenierte er mit seinem Freund Hanns Dietrich von Necker ein Pistolenduell, das von Anfang an als Doppelselbstmord geplant war. Von Necker starb, während Rudolf Ditzen schwer verletzt überlebte. Er wurde wegen Totschlags angeklagt und in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
Nur wenige Jahre später schon kämpfte er - und das sollte sein Leben lang so bleiben - gegen eine massive Alkohol- und Morphinsucht. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges begannen Ditzens erste schriftstellerische Versuche, von Anfang an unter dem Pseudonym »Hans Fallada«. Er hat es zusammengesetzt aus zwei Märchen der Brüder Grimm: »Hans im Glück« und der »Gänsemagd«, in der das sprechende Pferd »Falada« die Wahrheit verkündet, bis die betrogene Prinzessin zu ihrem Recht kommt (»O du Falada, da du hangest«).
Falladas erste beide Romane sind noch Misserfolge, doch dann gelingt ihm mit »Bauern, Bonzen und Bomben« 1931 der Durchbruch. Und »Kleiner Mann- was nun?«, im Jahr darauf (1932) erschienen, verschafft ihm sogar weltweite Anerkennung und Erfolg.
Weitere berühmte Werke Hans Falladas:
- Wer einmal aus dem Blechnapf frißt (1934)
- Wolf unter Wölfen (1937)
- Geschichten aus der Murkelei (1938)
- Der eiserne Gustav (1938)
- Kleiner Mann, Großer Mann – alles vertauscht (1939)
- Damals bei uns daheim (1942)
- Jeder stirbt für sich allein (1947)
- Zwei zarte Lämmchen weiß wie Schnee (1948)
- Der Trinker (1950)
- Ein Mann will nach oben (1953)
1933 wurde Rudolf Ditzen von seinen Mietern denunziert, die angeblich ein »staatsfeindliches Gespräch« belauscht hatten. Kurze Zeit verbrachte Ditzen daraufhin im Gefängnis. Diese Zeit bearbeitete er dann in »Wer einmal aus dem Blechnapf frißt«.
1944 wurde Rudolf Ditzens erste Ehe mit Anna Issel geschieden. Im Februar 1945 heiratet er die rund 30 Jahre jüngere Ursula Losch, die genau wie er mit Alkohol- und Drogenproblemen kämpft. Im Jahr darauf wird Rudolf Ditzen als schwer Abhängiger in die Nervenklinik der Berliner Charité eingewiesen, wo er noch innerhalb eines Monats den Roman »Jeder stirbt für sich allein« schreibt. Am 5. Februar 1947 stirbt er an Herzversagen.
Erich Kästner in Graal
Schon als Kind erkundete Erich Kästner gemeinsam mit seiner Mutter die ferne und nähere Umgebung seiner Heimatstadt Dresden. Seine erste weite Reise aber machte Erich Kästner, das wissen wir aus seinen Kindheitserinnerungen »Als ich ein kleiner Junge war« (1957) an die Ostsee - nach Müritz!: »Das war meine erste große Reise, und statt des Rucksacks trug ich zum ersten Mal zwei Koffer.« Damals war Erich Kästner, der 1899 geboren worden war, 15 Jahre alt. Die Ferien verbrachten die Kästners im Juli 1914 in der »Pension Meeresblick« - heute »Villa Martha« in der Strandstraße 16. Aus seinen Erinnerungen wissen wir, wie sehr ihn dieses erste Erlebnis am Meer beeindruckt hat. Zeit seines Lebens wird er sich zur Ostsee hingezogen fühlen. So sehr sogar, dass er sich zum Sommersemester 1921 zum Studium an der Universität Rostock einschreibt.
Der Reisende
Erich Kästner war ein großer Reisender. Er liebte es, unterwegs zu sein: zu Fuß, mit dem Auto und vor allem immer wieder mit der Eisenbahn. »Ich fahre leidenschaftlich gern mit der Eisenbahn. Man legt in der Stunde sechzig Kilometer zurück, ohne nur einen Schritt zu gehen: Das ist der ideale Fall einer Leistung ohne Arbeit«, schreibt er 1923 in der Neuen Leipziger Zeitung. Oder:
»Du müsstest öfter reisen, sprach er zu sich selber. Nicht aus geographischen Erwägungen; nicht wegen irgendwelcher Fernsichten, Gletscher, Gemäldegalerien, Tropfsteinhöhlen und Ritterburgen. Du müsstest öfter reisen, um zuweilen nicht daheim zu sein. Nur unterwegs erfährt man das Gefühl märchenhafter Verwunschenheit. Nur der Fremdling ist einsam und fröhlich in einem!«
Und auch seinen großen und kleinen Lesern von »Emil und die drei Zwillinge« (1934) erklärt er, wie schön es in der Fremde ist - und dafür müsse man gar nicht weit weg sein:
»Eigentlich wollte ich mit der Linie 177 nach Steglitz fahren. Nicht, dass ich in Steglitz etwas Besonderes zu erledigen gehabt hätte. Aber ich gehe gern in Stadtvierteln spazieren, die ich nicht kenne und in denen man mich nicht kennt. Ich bilde mir dann ein, ich sei irgendwo in der Fremde. Und wenn ich mich dann so richtig einsam und verlassen fühle, fahre ich rasch wieder heim und trinke in meiner Wohnung gemütlich Kaffee.«
Der Sommer in Müritz 1914
»Die Welt war anders als daheim und genauso schön«, schreibt Erich Kästner, dessen Herz immer für seine Heimatstadt Dresden schlug, über Müritz. »Als ich ein kleiner Junge war« heißen seine berühmten Kindheitserinnerungen. Und es ist berührend zu lesen, wie intensiv er sich nach rund 45 Jahren noch an seinen ersten Blick auf die Ostsee erinnert:
»Eine Stunde später stand ich, vom Strandhafer zerkratzt, zwischen den Dünen und sah aufs Meer hinaus. Auf diesen atemberaubend grenzenlosen Spiegel aus Flaschengrün und Mancherleiblau und Silberglanz. Die Augen erschraken, doch es war ein heiliger Schrecken, und Tränen trübten den ersten Blick ins Unendliche, das selber keine Augen hat. Das Meer war groß und blind, unheimlich und voller Geheimnisse.«
Und auch seinen großen und kleinen Lesern von »Emil und die drei Zwillinge« (1934) erklärt er, wie schön es in der Fremde ist - und dafür müsse man gar nicht weit weg sein:
»Eigentlich wollte ich mit der Linie 177 nach Steglitz fahren. Nicht, dass ich in Steglitz etwas Besonderes zu erledigen gehabt hätte. Aber ich gehe gern in Stadtvierteln spazieren, die ich nicht kenne und in denen man mich nicht kennt. Ich bilde mir dann ein, ich sei irgendwo in der Fremde. Und wenn ich mich dann so richtig einsam und verlassen fühle, fahre ich rasch wieder heim und trinke in meiner Wohnung gemütlich Kaffee.«
Von den Wellen schreibt er, die mit »weißen Spitzenborten gesäumt« sind, von »schillernden Quallen«, »raunenden Muscheln« und »goldgelbem Bernstein«. Und »am schönsten« - das fand Kästner wie so viele andere Menschen auch - »war die Welt am Meer in sternklaren Nächten. Über unseren Köpfen funkelten und zwinkerten viel mehr Sterne als daheim, und sie leuchteten königlicher. Der Mondschein lag wie ein Silberteppich auf dem Wasser. Die Wellen schlugen am Strand ihren ewigen Takt. […] Wir saßen auf der Mole. Uns war so vieles unbekannt, und wir schwiegen. Plötzlich erscholl Operettenmusik in der Ferne und kam langsam näher. Ein Küstendampfer kehrte, mit Lampions geschmückt, von einer der beliebten und preiswerten ‚Mondscheinfahrten in See‘ zurück. Er legte schaukelnd am Molenkopf an. Ein paar Dutzend Feriengäste stiegen aus. Lachend und lärmend trabten sie an unserer Bank vorüber. Kurz darauf versank das Gelächter hinter den Dünen, und wir waren wieder mit der See, dem Mond und den Sternen allein.«
Und natürlich wäre Kästner nicht Kästner, wenn er nicht auch noch einen kurzen scharfen Blick auf das Strandleben geworfen hätte:
»Am Rande des Erhabenen fand das Lächerliche statt. Man war den Städten entflohen und hockte jetzt, angesichts der Unendlichkeit, noch viel enger nebeneinander als in Hamburg, Dresden und Berlin. Man quetschte sich auf einem Eckchen Strand laut und schwitzend zusammen wie in einem Viehwagen. Links und rechts davon war der Strand leer. Die Dünen waren leer. Die Wälder und die Heide waren leer. Während der Ferien lagen die Mietskasernen am Ozean. Sie hatten keine Dächer, das war gut. Sie hatten keine Türen, das war peinlich. Und die Nachbarn waren funkelnagelneu, das war für die Funkelnagelneugierde ein gefundenes Fressen. Der Mensch glich dem Schaf und trat in Herden auf.«
Auch später hatte Erich Kästner immer mal wieder einen spöttischen Blick für das Badeleben an den Stränden der Ostsee übrig. Vor allem, nachdem seit den 20er-Jahren immer öfter die Hüllen fallen gelassen wurden. 1930 dichtet er:
Freigelassne Bäuche und Popos
stehn und liegen kreuz und quer im Sande.
Dicke Tanten senken die Trikots
und sehn aus wie Quallen auf dem Lande.Wo man hinschaut, wird den Augen schlecht,
und man schließt sie fest, um, nichts zu sehen.
Doch dann sieht man dies und das erst recht.
Man beschließt, es müsse was geschehen.
Wütend stürzt man über tausend Leiber,
bis ans Meer und dann sogar hinein,
doch auch hier sind dicke Herren und Weiber.
Fett schwimmt oben. Muss denn das so sein?Traurig hängt man in den grünen Wellen,
vor der Nase eine Frau in Blond.
Ach, das Meer hat nirgends freie Stellen,
und das Fett verhüllt den Horizont.
Hier bleibt keine Wahl, als zu ersaufen!
Und man macht sich schwer wie einen Stein.
Langsam lässt man sich voll Wasser laufen.
Auf dem Meeresgrund ist man allein.
»Am Rande des Erhabenen fand das Lächerliche statt« - und am Rande des Schönsten fand das Schrecklichste statt. Auch das gilt für Kästners ersten und letzten großen Urlaub seiner Kindheit: Am 1. August 1914, einem herrlichen Wochenende inmitten der Ferien, erklärte der deutsche Kaiser die Mobilmachung. Der Erste Weltkrieg, der an seinem Ende 1918 mehr als 17 Millionen Menschen das Leben gekostet haben wird, begann. Die Kästners mussten Müritz überstürzt verlassen - wie fast alle anderen Urlauber auch:
»Am 1. August 1914, mitten im Ferienglück, befahl der deutsche Kaiser die Mobilmachung. Der Tod setzte den Helm auf. Der Krieg griff zur Fackel. Die apokalyptischen Reiter holten ihre Pferde aus dem Stall. Und das Schicksal trat mit dem Stiefel in den Ameisenhaufen Europa. Jetzt gab es keine Mondscheinfahrten mehr, und niemand blieb in seinem Strandkorb sitzen. Alle packten die Koffer. Alle wollten nach Hause. Es gab kein Halten. Im Handumdrehen waren, bis zum letzten Karren, alle Fuhrwerke vermietet. Und so schleppten wir unsere Koffer zu Fuße durch den Wald. […] Mit Sack und Pack und Kind und Kegel wälzte sich der Menschenstrom dahin. Wir flohen, als habe hinter uns ein Erdbeben stattgefunden. Und der Wald sah aus wie ein grüner Bahnsteig, auf dem sich Tausende stießen und drängten. Nur fort!«
Ein trauriger Abschied von einem der schönsten Urlaube. Erich Kästners Kindheit war an diesem Tag zu Ende.
Pfingsten in Müritz 1923
Immer wieder zog es ihn an die Ostsee, immer wieder wollte er dem Zauber des Meeres erliegen, den er aus Kindheitstagen mit sich trug. Noch eine weitere Impression eines Besuches in Müritz haben wir von Erich Kästner: Pfingsten am Meer (1923).
»Vom Eisenbahnfenster sah ich das Meer noch einmal. Ein Badehaus. Struppige Dünen. - Da leuchtete irgendwo die Sonne auf. Wie ein Walpurgisfeuer rot und wild. Die Wolken, die den Horizont entlangritten, hatten purpurne Mantelsäume und hielten glühende Brände in den Fäusten. Das Meer zischte auf in Rot und Gold, in Violett und kristallenem Grün. Wie ein Schmelztiegel mit kochendem, zähem Guss! Wie der unermessliche Krater des Weltuntergangs! … Und dann ist das Meer versunken. Und die Landschaft ist plötzlich blass wie ein Pastell. Und die Luft ist sanft und graublau und leidenschaftslos geworden. Auf stumpfgrünen Wiesen kauen schmutziggraue Schafherden. […] Dann gleiten Ruderboote stumm und schmal die Warnow hinunter. Die Türme Rostocks tauchen auf. Hinter blaugrünen Kiefern und dürrer Heide. Geduckt vor den treibenden Wolken, die durch den Himmel tanzen wie losgerissene ferne Inseln…«
Emil und die Detektive in Müritz
Den zweiten Band von »Emil und die Detektive«, »Emil und die drei Zwillinge« (1934), lässt Erich Kästner sogar komplett an der Ostsee spielen. Und »Korlsbüttel«ist nicht irgendein Ort, sondern, ganz klar - Müritz!
»… Korlsbüttel an der Ostsee. Irgendwo zwischen Travemünde und Zinnowitz. […] Der Badestrand liegt ganz in der Nähe. Man kann gleich im Schwimmtrikot hinspazieren. Drei Minuten durch einen grün dämmernden Erlenbruch - und schon steht man oben auf den Dünen. Drunten breitet sich die Ostsee. Und die hölzerne Brücke, an der die Küstendampfer anlegen, reicht fast bis an den Horizont.«
»Korlsbüttel ist keiner von den großen Badeorten. Noch vor zehn Jahren hatte Korlsbüttel nicht einmal einen Bahnhof. Damals musste man auf der Strecke Lübeck-Stralsund in einem kleinen Nest aus dem Zug steigen, das, wenn ich nicht irre, Stubbenhagen hieß. Dort stand, wenn man besonderes Glück hatte, irgendein altmodisches Fuhrwerk, das mit einem schweren mecklenburgischen Gaul bespannt war, und zockelte die Badegäste nach Korlsbüttel hinüber. Auf zerfahrenen, sandigen Waldwegen. Links und rechts dehnte sich die Heide. Die Wacholderbüsche standen wie hundertjährige Zwerge zwischen den Eichen und Buchen. Und manchmal fegte ein Rudel Rehe durch die Stille. Und von den Kohlenmeilern, die auf den Waldwiesen lagen, stieg blauer, beizender Rauch in die Sommerluft empor. Es war wie in Grimms Märchen.«
Und auch die »Pension Meeresblick«, in der die Kästners 1914 wohnten, kommt in »Emil und die drei Zwillinge« vor. Hier heißt sie »Villa Seeseite« und ist »reizendes, altmodisches Haus« mit gläserner Veranda, Schiebefenstern und offenem Balkon. Heute heißt das Haus »Villa Martha«. Es steht in der Strandstraße 16 im Ortsteil Müritz-Ost.
Wenn Erich Kästner von der See schreibt, gibt er uns immer auch einen unmittelbaren Eindruck des Gesehenen und Erlebten. Und obwohl »Emil und die drei Zwillinge« ein Kinderbuch ist, finden wir auch hier einen poetischen Blick auf das Wasser und den Horizont:
»Und dort, wo der Strand aufhörte, begann das Meer! Es nahm, wohin man auch blickte, kein Ende. Es lag da, als sei es aus flüssigem Quecksilber. Am Horizont, ganz hinten, fuhr ein Schiff in den Abend hinein. Ein paar Lichter blinkten. Und am Himmel, der von der Sonne, die längst untergegangen war, noch immer rosig widerstrahlte, hing die Mondsichel. Sie sah noch ganz blass aus. Als ob sie lange krank gewesen wäre. Und über das pastellfarbene Himmelsgewölbe glitten die ersten Lichtstreifen entfernter Leuchttürme. Weit draußen heulte ein Dampfer. Die Großmutter und die beiden Kinder standen überwältigt. Sie schwiegen und hatten das Empfinden, als ob sie nie im Leben wieder würden reden können.«
»Manchmal liefen Wellen über den Meeresspiegel. Und Pony bemerkte: ‚Das sieht aus, als ob ein unsichtbarer Verkäufer auf einem unendlichen Ladentisch schillernde Seide aufrollt.«
Erich Kästner - Biographie und Werk
»Dem Vernehmen und der eigenen Meinung nach« sei er ein satirischer Schriftsteller, sagte Erich Kästner 1957 in einer Rede. Ein Warner. Ein Spötter. Vor allem für seine journalistischen Arbeiten und seine Gedichte gilt das. Schon ganz am Anfang seiner Laufbahn schrieb er, der am 23. Februar 1899 in Dresden geboren wurde, Glossen, kleine Erzählungen, Gedichte und politische Parodien für Zeitungen. Satirisch, witzig und scharfzüngig waren seine Blicke auf die Menschen, auf die Zeiten, auf das politische Geschehen. Hinter dem Glanz der 20er-Jahre in Berlin sah Kästner die Armut, sah er das Elend. Und er sah vor allem schon den Abgrund, auf den Deutschland zutaumelte. Er versuchte, so schrieb er nach dem Krieg, als junger Mann »durch Ironie, Kritik, Anklage, Hohn und Gelächter« zu warnen. 1927 erschien sein erstes Buch, ein Gedichtband mit dem Titel »Herz auf Taille«. Von dort stammen die Verse:
»Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
Dort stehn die Prokuristen stolz und kühn
in den Büros, als wären es Kasernen.[…]
Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie grün.
Was man auch baut - es werden stets Kasernen.
Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
Kästners Gedichtbände verkauften sich hervorragend, und schon ein Jahr nach seiner ersten Veröffentlichung, 1929, machte er sich einen Namen als Kinderbuchautor: »Emil und die Detektive« war von Anfang an ein Kassenschlager. Viel Zeit blieb Erich Kästner jetzt allerdings nicht mehr.
»Im Mai 1933 fand die Bücherverbrennung statt, und unter den 24 Namen, mit denen der Minister für literarische Feuerbestattung seinen Hass artikulierte, war auch der meine. Jede künftige Veröffentlichung in Deutschland wurde mir streng untersagt. Im Laufe der nächsten Jahre wurde ich zweimal verhaftet, und bis zum Zusammenbruch der Diktatur stand ich unter Beobachtung. Nach jenem Zusammenbruch war ich einige Jahre Redakteur und dann erst, nach rund 15-jähriger Pause, erschien in Deutschand mein nächstes neues Buch.«
Am 10. Mai 1933, dem Tag der Bücherverbrennung, stand Kästner sogar daneben, den Hut tief ins Gesicht gezogen. Er wurde erkannt, doch es geschah ihm nichts. 12 Jahre lang schwieg er nun. Ein Kinderbuch ließen die Nazis ihm noch durchgehen: »Emil und die drei Zwillinge« (1934), der zweite Band des großen Erfolgs. 1931 war schon »Pünktchen und Anton« erfolgreich gewesen, 1932 »Der 35. Mai« und 1933 »Das fliegende Klassenzimmer«. Nun schrieb er, um überleben zu können, seichte Boulevardstücke und das Drehbuch für den Münchhausen-Film der UFA. 1943 wurde ihm das Schreiben dann vollends verboten. Erst 1949 erschien »Das doppelte Lottchen«, und hauptsächlich lebte er nun von den Verfilmungen seiner Bücher, wenigen Gedichtbänden und seinen Erinnerungen »Als ich ein kleiner Junge war«(1957). Am 29. Juli 1974 starb Erich Kästner in München.
Walter Kempowski in Graal
Am Ostseebad Graal-Müritz hing für Walter Kempowski eine lange Reihe von Erinnerungen. Neben den Ausflügen dorthin, die in der Kinder- und Jugendzeit von Rostock aus unternommen wurden, gibt es eine sehr spezielle familiäre Bindung an Graal: Im Sommer 1913 lernten sich Kempowskis Eltern auf der Seebrücke kennen. Die Geschichte seiner Familie, und natürlich auch das Kennenlernen seiner Eltern in Graal, hat Walter Kempowski in seinen Romanen festgehalten.
Kempowski in Graal
»Ein kleiner Morgenspaziergang. Intensive Überlegungen, ob man hier ein Grundstück erwerben sollte und sich ansiedeln? […] Oder vielleicht doch näher an die Küste heran? In Graal? Wenn man schon an der Ostsee wohnt, will man schließlich nicht so weit laufen. Und ein Blick aufs Meer wäre auch nicht zu verachten.
Graal wäre das rechte. In Graal haben sich die Eltern kennengelernt 1913, was Robert zu dem Ausspruch verleitete: ‚Der Ring schließt sich, Walter, der Ring schließt sich.‘ Der Vater war damals siebzehn, und wir sind jetzt über sechzig.«
(Walter Kempowski, Hamit. Tagebuch 1990)
So wäre der berühmte Schriftsteller Walter Kempowski Anfang der neunziger Jahre vielleicht doch fast noch ein Graal-Müritzer geworden! Und der Bogen der Familiengeschichte hätte sich, wie sein Bruder Robert sagte, geschlossen.
1990 ist Walter Kempowski nach mehr als 40 Jahren in seine Heimat Rostock und Umgebung zurückgekommen. Nach 40 Jahren, in denen für den inzwischen 60-Jährigen unglaublich viel passiert war.
»Das Wiedersehen mit der Heimat war überwältigend. Es weckte Erinnerungen, riss jedoch auch alte Wunden wieder auf«, schreibt die Kempowski-Stiftung Haus Kreienhoop auf ihrer Internetseite (www.kempowski-stiftung.de). Die Rostocker Familie Walter Kempowskis hatte nach dem Krieg alles verloren: »die Firma, die Wohnung, das Mobiliar, die Heimat. Fotos, Briefe, Bücher – alles vernichtet.«
1956 war Kempowski nach achtjähriger Haft im sächsischen Zuchthaus Bautzen in den Westen gegangen und hat sich dort in Nartum, in der Nähe von Bremen, mit eiserner Disziplin, unermüdlichem Fleiß und einer außergewöhnlichen literarischen Begabung aus dem Nichts eine neue Existenz aufgebaut – als Lehrer, als Archivar und als Schriftsteller.
Seine Heimat Rostock, die Landschaft dort und die mecklenburgische Ostseeküste hat er nie vergessen. »Immer bin ich in Rostock gewesen, auch in den Jahren der Trennung. Ich habe diese Stadt vor und zurück beschrieben, Fotos gesammelt, ja, ich bin sogar so weit gegangen, sie in Papier nachzubauen! Sehnsucht ist gar kein Ausdruck!«, schreibt Kempowski am Neujahrstag 1990 in sein Tagebuch. Am nächsten Tag holt er seinen Bruder Robert ab und die beiden besuchen nach mehr als 40 Jahren ihre Heimat.
»Nach flüchtiger Durchmusterung der Stadt fuhren wir nach Rövershagen. – »Rövershagen«, was für ein schöner Name. Von hier aus begannen damals die elend langen Sonntagswanderungen nach Graal, die Eltern auf der Geradeaus-Schneise vorneweg und wir uns hinterdrein schleppend, Tee mit Zitrone in der Feldflasche, der Vater vorn mit Kartentasche und Fernglas aus dem I. Weltkrieg und die Mutter mit Wandertasche […].« (Tagebuch, 5. Januar 1990)
Und im Frühling desselben Jahres ist Kempowski wieder in Graal-Müritz: »Im Mai habe ich ein paar Stunden am Strand von Graal gesessen, es war wunderbares Wetter, und keine Menschenseele war zu entdecken. Es waren keine Spuren mehr auszumachen von den großen Tagen meiner Eltern. – Ich nahm eine von der See rundgeschliffene Glasscherbe mit.« Am Ostersonntag im April 1993 liest er dort im »Haus Grahl« aus seinen Werken.
So schloss sich der Bogen zu seiner Heimat für Walter Kempowski dann nach langer Zeit doch. Regelmäßig war er seit 1990 in Rostock. Noch fast 20 Jahre lang konnte er eine rege Beziehung zur Hansestadt, seinem Mecklenburg und der vertrauten Ostseeküste führen.
Walter Kempowski war Ehrenbürger der Stadt Rostock. Ihm wurde die Ehrendoktorwürde der philosophischen Fakultät der Universität Rostock verliehen und er bekleidete dort eine Honorarprofessur für Neuere Literatur- und Kulturgeschichte. Im Klosterhof, Haus 3, ist heute das Kempowski-Archiv Rostock untergebracht ( www.kempowski-archiv-rostock.de).
»Und so etwas auf der Promenade in Graal!«
Das Ostseebad Graal und die Familie Kempowski
»Nach einer Woche ist man hier schon ganz zu Hause. Graal liegt im Wald. Wenn man an den Strand will, muß man erst einen Spaziergang von einer Viertelstunde machen, auf schmalen, federnden Waldwegen, die glatt sind von alten Tannennadeln. Kiefern schwanken wie Mastbäume gegen den Himmel, auf dem die Wolken dahinjagen.«
(Walter Kempowski, Aus großer Zeit)
Am Ostseebad Graal-Müritz hing für Walter Kempowski eine lange Reihe von Erinnerungen. Neben den Ausflügen dorthin, die in der Kinder- und Jugendzeit von Rostock aus unternommen wurden, gibt es eine sehr spezielle familiäre Bindung an Graal: Im Sommer 1913 lernten sich Kempowskis Eltern auf der Seebrücke kennen. Seine Mutter, Margarethe Collasius, war damals 17 Jahre alt. Sein Vater, Karl Kempowski, gerade einmal 15.
In seinem Tagebuch von 1983 (Sirius) beschreibt Kempowski Familienfotos, die in jenem Vorkriegsjahr 1913 in Graal am Strand gemacht wurden: »Aus all diesen Fotos spricht gutgenährte Sorglosigkeit, viel Sonne scheint, 1913: siebzig Jahre ist das jetzt her. Wir können keine Spuren von Vorahnung entdecken in diesen heiteren Friedensmanifesten.«
Die Geschichte seiner Familie, und natürlich auch das Kennenlernen seiner Eltern auf der Graaler Seebrücke, hat Walter Kempowski in seinen Romanen festgehalten. Außergewöhnlich ist dieses Werk, das die »deutsche Chronik«, genannt wird, weil es sowohl liebevoll familiär als auch zeitgeschichtlich hochinteressant ist. Der Blick ist da für Details und kleine Besonderheiten, getragen von einem Humor, der sich nicht aufdrängt. Eine ideale Symbiose aus Roman und Chronik.
Wer wissen möchte, wie man in Rostock um 1915 oder 1925 oder 1935 gelebt, gedacht und gesprochen hat, erfährt das in Kempowskis Romanen »Aus großer Zeit« ( 1978), »Schöne Aussicht« (1981) und »Tadellöser & Wolff« (1971).
Über die Anbahnung der Ehe seiner Eltern auf der Graaler Seebrücke erfahren wir Genaueres im Roman »Aus großer Zeit«:
»1913 reisen die Kempowskis an die Ostsee, und zwar nach Graal. […] Graal liegt zwischen Rostock und Stralsund an der Ostseeküste – ,mit steinfreiem Strand und vorzüglichen Wellenschlag' so steht im Prospekt zu lesen –, es ist ein kleiner Badeort mit wenigen Hotels und Pensionen. Fünf Mark pro Tag, alles inclusive. […] Pension ,Waldperle': Gegessen wird an einer großen gemeinsamen Tafel, in der Glasveranda: Table d'hôte. […] Als die Kempowskis zum ersten Mal erscheinen, mit Dienstmädchen und Rollstuhlschieber, wird getuschelt: Wer ist denn dieser Herr? … kann nicht richtig gehen? … wirft die Beine so merkwürdig? … wird von links und rechts gestützt? Die beiden Weiblichkeiten allerdings, Mutter und Tochter, die Frau noch durchaus imponabel und die Tochter irgendwie schnuckelig, […]. Von Karl, dem blassen Jüngling, nimmt man zunächst weniger Notiz.«
Karl, der blasse Jüngling, der später Walter Kempowskis Vater sein wird, zeichnet sich allerdings durch vollendete Tischmanieren aus, ist höflich zu den älteren Damen, gut erzogen und »spielt so fabelhaft Klavier«. Außerdem ist er »ein Artist im Schwingen des Spazierstocks«, trägt einen karierten Anzug und »über den Schuhen Dackelgamaschen« – und das, obwohl er gerade erst fünfzehn ist. Abends steht er auf der Seebrücke und »läßt die Weiblichkeit an sich vorüberdefilieren« schreibt er angeberhaft einem Freund. Und dann, eines Tages im August 1913 ist es soweit: »Eine zierliche Blondine mit Mittelscheitel erscheint eines Abends auf der Brücke, Grethe de Bonsac aus Hamburg, Vater: Import und Export en gros […].«
Die Hamburger Familie de Bonsac, die in Wirklichkeit Collasius hieß, wohnt in Kempowskis Roman »Aus großer Zeit« in diesem Sommer 1913 in der »Villa Ida«. Und auch aus der Perspektive von Grethes Familie ist die Entscheidung für Graal ein Glücksgriff. Sie fühlt sich dort genau so wohl wie die Kempowskis: »Das hat man gut gemacht, hierher zu gehen, nach Graal, und in die Villa IDA, für vier Marl Vollpension? Für vier Mark, allerdings sehr schönes, gutes Geld? Das Essen ist großartig – Lachs in Gelee mit Mayonnaise und Zunge in Burgunder -, und sogar der Kaffee ist gut.«
Und gebadet wird auch im August 1913, allerdings nicht sofort: »Mit dem Baden wird erst am dritten Tag begonnen, und da darf man auch erst zwei, drei Wellen nehmen, und eine ‚Kette' muß man bilden, denn irgendwelche tiefen Löcher lauern auf dem Grund, so heißt es, wer da hineintritt, ist verloren. […] Nach dem Baden sitzt die ganze Familie gestiefelt und gespornt am Strand. […] Martha sitzt auf einem Klappstuhl, breit und schwer, und Hertha, Grethe und Lotti, die nun schon so großen Töchter, sitzen im Strandkorb, weiß von Kopf bis Fuß, sie haben die Hände im Schoß. […] Die See kommt mit breiten Schaumstreifen schräg angelaufen und spritzt an den Pfeilern der Brücke entlang. Da hinten stampft ein weißer Raddampfer durch die Wellen, ein weißer Dampfer mit Ausflüglern, die herübergucken und winken. (Man hätte doch das Fernglas mitnehmen sollen.) Wie schön dieser Dampfer aussieht – ,Fürst Blücher' heißt er – und wie schön es von dort aus hier wohl aussieht.«
»Holzbude mit Bank steht auf der Landungsbrücke, in der es Ansichtskarten gibt, die man kaufen kann und sich zeigen kann, Ansichtskarten von der Holzbude, in der es eben diese Ansichtskarten gibt. Und an dieser Holzbude lernt Grethe de Bonsac einen gewissen Karl-Georg Kempowski kennen, am 15. August des Jahres 1913. Aus Rostock kommt er, und eine Uhrkette hat er auf dem Bauch. ‚Komm, Stribold', sagt Karl Kempowski zu seinem Hund, ‚auf diese Bank von Holz woll'n wir uns setzen.' Und diese Worte sind es, mit denen die Poussage anfängt, denn Grethe findet es nun rasend komisch, wie der das so breit ausspricht: ‚ … woll' wi us sätz'n …', wahnsinnig mecklenburgisch! Und er findet es schön, daß sie so übern spitzen Stein stolpert. ‚Kommt die Dame vielleicht aus Hamburg?' fragt er; und dann wird schon erörtert, daß Sonnabend Réunion ist … und ob man sich da vielleicht sieht?«
Und obwohl Grethe in diesem Graaler Urlaub viel über Karl lacht, obwohl sie ihn nachmacht, obwohl die Liaison für sie nur »ein Spiel, ein Zeitvertreib« ist, und obwohl sie während des Ersten Weltkriegs unsterblich in einen anderen Mann verliebt ist, verloben sich die beiden 1917 und heiraten bald nach dem Krieg.
Kempowski schreibt 1983 in sein Tagebuch, das sieben Jahre später unter dem Titel »Sirius« veröffentlicht wird: »Mehr noch als die historische Szenerie, den Eintritt des Nationalsozialismus in die Geschichte Europas, hat mich an ‚Schöne Aussicht' interessiert, daß Eheleute, die sich eigentlich nicht wollten, trotzdem etwas Ersprießliches zustande bringen. Von ‚Vernunftehe' kann bei meinen Eltern keine Rede sein, da muß man eher von ‚Verlegenheitsehe' sprechen. Unvergessen sind die ständigen Streitereien bei Tisch, meistens gingen sie von meiner Mutter aus, daß er nie mit ihr irgendwohin geht. Er schwieg dann.«
Die erste Zeit der Ehe seiner Eltern und seine Kindheit in Rostock beschreibt Kempowski in dem Roman »Schöne Aussicht«, der direkt an »Aus großer Zeit« anschließt. Auch dieser Roman zeichnet ein detailgetreues, persönliches und historisches Panorama eines Rostocker Familienlebens. Diesmal der zwanziger und dreißiger Jahre.
Ausflüge nach Graal, und zwar zu Fuß, waren auch in Kempowskis Kindheit an der Tagesordnung. Nur mit der Familie oder auch in größerer Gesellschaft. Eine solche Unternehmung schildert Kempowski in »Schöne Aussicht«: »Um das Sommerwetter auszunutzen, bricht der Jägerkreis eines Sonntags auf zu einer Wanderung, und zwar morgens um sechs. Die Rostocker Heide lockt, dieser herrliche Wald, der sich jenseits der Warnow bis an die Ostsee hinzieht, fast 6000 Hektar!« Und nach einer »kilometerlangen Schneise«, »immer geradeaus« kommt die Gruppe dann in der Hitze endlich am Strand von Graal-Müritz an:
»Schließlich erreichen sie ‚das Meer', wie dumme Leute sagen. ‚Die See' also, wie es richtig heißt. Man erreicht sie bei Graal, das am Ende der langen Schneise liegt. Durch das Rauschen hat sich ‚das Meer' schon vorbereitend angekündigt. Von einer Düne aus wird es dann in Augenschein genommen, den Damen flattern die Haare, den Herren die Schlipse […]. Die Gesellschaft läßt sich in der ‚Strandperle' nieder, vor der eine Blutbuche steht, und bestellt Schollen, die in dieser Jahreszeit so ganz besonders gut sind, und vor allem: ein kühles Bier. ‚Zum freundlichen Wohlsein!' Ein kühles Bier für 15 Pfennig. ‚Ahh!' […] Die beiden Eheleute Kempowski gehen nach dem Essen auf die lange Brücke hinaus, an deren Ende eine Bude steht, in der es Ansichtskarten zu kaufen gibt, auf der eben diese Bude zu sehen ist. ‚Auf diese Bank von Holz woll'n wir uns setzen!' sagt Karl, und das tun sie auch, die Hände ineinander verschlungen. ‚Das Meer' denken sie, obwohl man ja eigentlich ‚die See' sagt, die Wellen, und da hinten jetzt sogar ein Schiff. Und daß man das Eheschiff nun aus den größten Maleschen rausmanövriert hat, Gott, was war das aber auch alles!«
Und nachdem die beiden »neu-verliebten« Kempowskis wieder zur Gruppe zurückgekommen sind, kann der Tratsch und Klatsch nun munter weitergehen, denn: »Gut sitzt man in der Strandperle, die ganze Promenade lässt sich überblicken.« Und nachdem man sich ein wenig über zu eng anliegende Badeanzüge echauffiert hat, bietet sich noch ein besonderer Leckerbissen:
»Jetzt schreitet eine dicke Frau im Dirndlkleid daher. Brillantschmuck hat sie angelegt, die Fingernägel wie in Blut getaucht. Die Söckchen sehen aus wie Papiermanschetten am Hammelkotelett. Ihr Mann, mit kaffeebrauner Glatze und Sandalenbeinen, trottet neben ihr her: Der trägt ein Tennishemd ohne Krawatte. Sie ein Dirndlkleid und er ein Tennishemd. Und so etwas auf der Promenade in Graal!«
Walter Kempowski – Biographie und Werk
»Und ich muss sagen, in den Büchern sieht man, wes Geistes Kind er war. Da liest man drin und ist getröstet, seltsamerweise. Das Gemüt wird angesprochen, man wird zur Anteilnahme angespornt beim Lesen, und gleichzeitig wird man auch erheitert. Es strömt eine Wärme aus diesen Büchern.«
(Hildegard Kempowski im März 2008 für WELT online)
Walter Kempowski wurde am 29. April 1929 als Rostocker Reederssohn geboren. Er hatte zwei ältere Geschwister, Ursula und Robert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg – der Vater war gefallen – ging Walter Kempowski in den Westen und fand Arbeit in einem Wiesbadener Lebensmittelgeschäft der US Army. In jener Zeit übergab er dem amerikanischen Geheimdienst Dokumente, die belegten, in welchem Umfang die sowjetischen Besatzer Güter aus dem Rostocker Hafen abtransportieren ließen.
Ein einziger Besuch in Rostock im März 1948 kostete ihn dann Kopf und Kragen: Kempowski wurde verhaftet und musste acht Jahre lang im Zuchthaus Bautzen einsitzen. Keine neunzehn Jahre alt war er bei Beginn der Haft, 27, als er wieder freikam. Das ursprüngliche Urteil des sowjetischen Militärgerichts lautete sogar 25 Jahre Zwangsarbeit – für einen »Achtzehnjährigen, der allenfalls etwas journalistisches Material gesammelt hatte«, schreibt Walter Kempowski in einem seiner Tagebücher. Sein Schicksal war damit allerdings nicht beendet. Im Westen wurde ihm nun die Anerkennung als politischer Häftling verweigert.
Vielleicht gab das den Ausschlag dafür, dass Walter Kempowski nun unermüdlich mit seiner schriftstellerischen Arbeit begann. 1969 erschien sein Erstling »Im Block«, ein Bericht über seine Haftzeit. Der Literaturkritiker Volker Hage schreibt in »Walter Kempowski. Bücher und Begegnungen« (2009):
»Er, der literarische Neuling, ein Opfer von Willkürjustiz, hatte nach der Haft den Impuls, zunächst alles zusammenzutragen und um sich zu versammeln, was ihn an seine Kindheit und Jugend erinnerte: alte Fotos, Adreßbücher, Zeitungen, Spielzeuge. Mitte der fünfziger Jahre begann er damit, seine Mutter, seinen Bruder, und andere Verwandte vor ein Tonbandgerät zu setzen und zu befragen. Das alles wurde zur Grundlage zunächst für den Roman 'Tadellöser & Wolff', später auch für andere Teile jener Chronik des deutschen Bürgertums, mit der er berühmt werden sollte.«
Jene »Deutsche Chronik« besteht aus sechs Romanen, die rund 2 500 Seiten und die Zeitspanne von 1885 bis 1960 umfassen. Der Roman »Tadellöser & Wolff« ist besonders bekannt geworden, weil er in den siebziger Jahren verfilmt worden ist. Die Eltern Kempowski wurden von Edda Seippel und Karl Lieffen so überzeugend dargestellt, dass Walter Kempowski noch lange, wenn er an seinen Vater dachte, Karl Lieffen vor Augen hatte.
Seit 1960 arbeitete Kempowski außerdem rund 20 Jahre lang als Grundschullehrer im Kreis Rotenburg/Wümme. Im selben Jahr heiratete er seine Frau Hildegard Janssen. Die Kinder Renate und Karl-Friedrich wurden 1961 und 1962 geboren.
Walter Kempowski starb am 5. Oktober 2007 in Rotenburg an der Wümme.
Die Romane der »Deutschen Chronik«
- Aus großer Zeit (1978)
Leben der Großeltern und Eltern bis 1918 - Schöne Aussicht (1981)
20er Jahre bis zum Beginn der Naziherrschaft - Tadellöser & Wolff (1971)
Kempowskis Jugend in Rostock bis zum Kriegsende - Uns geht's ja noch gold (1972)
Rostock in den unmittelbaren Nachkriegsjahren bis zur Verhaftung des 18-Jährigen Walter 1948 - Ein Kapitel für sich (1975)
Acht Jahre Haft in Bautzen und die Ankunft in der Bundesrepublik - Herzlich willkommen (1984)
Die ersten Jahre in der Bundesrepublik
Neben der eigenen Familiengeschichte interessierte Walter Kempowski sich auch immer für die kollektive Erfahrung der Deutschen. Schon 1972 hatte er die fixe Idee, ihnen nur eine einzige Frage zu stellen: Haben Sie Hitler gesehen? Das Buch, »ein grandioses Dokument der Zeitgeschichte« (Hage) erschien 1973. Es folgte 1979 die Veröffentlichung der Antworten auf die zweite Frage ,Haben Sie davon gewusst?', auch diese Sammlung »ein Ereignis« (Hage).
Außerdem begann Kempowski in den 80er-Jahren, biographische Materialien zu sammeln, oft per Zeitungsannonce: Tagebücher, Briefe, Autobiographien, Notizen und Fotographien. Er schafft ein Archiv, das in seiner Breite und Intensität kaum zu fassen ist. »Ich glaube nicht, dass es einen zeitgenössischen Roman gibt, der es mit der Substanz dieses Archivs aufnehmen könnte. Das fasziniert mich«, sagt Kempowski in einem Interview. Echolot nennt er sein Mammutprojekt, bei dem er das Material sichtet, sortiert, auswertet, zu Collagen verarbeitet und dann als Kunstwerk veröffentlicht. »Das Echolot ist eine Art Parallelunternehmen, gewissermaßen der zweite Rumpf des Katamarans.« Mit diesem Satz verdeutlicht Kempowski die Ebenbürtigkeit dieser archivarischen und editorischen Arbeit mit seiner literarischen Tätigkeit. Und auch die Kritik erkennt den Wert dieser Leistung. Frank Schirrmacher schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (13. November 1993): »Wenn die Welt noch Augen hat zu sehen, wird sie, um es in einem Wort zu sagen, in diesem Werk eine der größten Leistungen der Literatur unseres Jahrhunderts erblicken.« Und Volker Hage im Spiegel (Nr. 53/1992): »eines der letzten großen Wagnisse dieses Jahrhunderts«.
Das Echolot-Projekt
- Echolot. Ein kollektives Tagebuch. Januar und Februar 1943 (1993)
- Echolot. Fuga furiosa. Ein kollektives Tagebuch Winter 1945 (1999)
- Der Rote Hahn. Dresden im Februar 1945 (2001)
- Echolot. Barbarossa '41 (2002)
- Echolot. Abgesang '45 (2005)
Weitere Romane
- Hundstage (1988)
- Heile Welt (1998)
- Letzte Grüße (2003)
- Alles umsonst (2006)
Tagebücher
- Sirius. Eine Art Tagebuch (1990)
- Alkor. Tagebuch 1989 (2001)
- Hamit. Tagebuch 1990 (2006)
- Somnia. Tagebuch 1991 (2008)
Fotos Kempowski - Urheber / Copyright: Hildegard Kempowski & Kempowski Archiv Rostock